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Interview

12 min

Die Zukunft der Bildung ist digital! … Oder?

Über die Digitalisierung der Bildung, den Wert von Printmedien und die gemeinsame Projektarbeit zwischen öbv und dotsandlines.

Bildung Analog Digital Projekte Heartwork Website
Interview OÌ BV Max 14

Im Gespräch mit dem öbv-Geschäftsführer Maximilian Schulyok.

Bildung heißt, sich ein Bild von der Welt zu machen. Je mehr Zugang man zu Bildung hat, desto spannender, bunter und umfangreicher wird die Welt.

Hi Max! Wer bist du und was treibst du so?

Max

Mein Name ist Maximilan Schulyok, und ich bin Geschäftsführer beim österreichischen Bundesverlag, kurz öbv. Der öbv ist ein Bildungsmedien-Unternehmen. Uns gibt es seit 251 Jahren und wir sind eng mit der Geschichte der Schule in Österreich verbunden. Unser Produkt-Portfolio hat sich in den letzten Jahren stark erweitert. Neben klassischen Schulbüchern ist eine Vielzahl an digitalem Material für Lehrpersonen dazugekommen. Seit zwei Jahren bieten wir Aus- und Fortbildungen für Lehrkräfte an. Eine sehr spannende Zeit für unsere Branche – vor allem durch die Corona-Pandemie hat sich einiges geändert.

Als Kind hat man oft große Träume. Was wolltest du früher werden?

Max

Ich komme aus dem Skigebiet Schladming und wollte immer Skirennläufer werden. Ich war sogar echt gut, aber mein Weg hat sich dann doch anders entwickelt. Mein Vater führte eine Anwaltskanzlei und verfolgte den Plan, dass ich diese eines Tages übernehmen sollte. Also habe ich Jus studiert – aber bin dann schnell draufgekommen, dass mich ein Anwaltsjob nicht erfüllt. Durch viele glückliche Fügungen und Chancen bin ich über Politikmanagement und die Medienbranche schlussendlich im Bildungsbereich gelandet.

Hättest du zu Schulzeiten gedacht, dass Bildung ein so prägnantes Thema in deinem Leben sein wird?

Max

Ich bin richtig gerne in die Schule gegangen – weniger, weil ich so ein strebsamer Mensch bin, sondern weil diese Zeit eine so unbelastete war. Ich hatte nie daran gedacht, später einmal im Bildungsbereich tätig zu sein – mit Menschen zu arbeiten, hat mir aber immer Freude bereitet und ich hatte oft Berührungspunkte mit Lehrer:innen. Bildung ist ein Thema, das bewegt, und ein unglaublich schöner Tätigkeitsbereich, weil man tatsächlich etwas bewirken kann. Man kann jungen Menschen helfen, sich zu verwirklichen und ihren Platz im Leben zu finden.

Was bedeutet für dich eigentlich "Bildung"? Und wie kann man diese digitalisieren?

Max

Meine liebste Definition lautet “Bildung heißt, sich ein Bild von der Welt zu machen”. Je mehr Zugang man zu Bildung hat, desto spannender, bunter und umfangreicher wird die Welt. Ich glaube, je größer dieser gegebene Lichtkegel ist, desto mehr Möglichkeiten bilden sich und desto reflektierter kann man mit Themen umgehen. Wissen ermöglicht unglaublich viel – und Bildung ist der Weg zu diesem Wissen. Man lernt nie aus, vor allem in unserer wahnsinnig schnelllebigen Welt.

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Fluch oder Segen – Welche Vor- und Nachteile siehst du durch die Digitalisierung der Bildung?

Max

Die Corona-Pandemie hat die Vorstellung davon, was Schule ist, von heute auf morgen verändert. Nachdem Bildungseinrichtungen zugesperrt wurden, gab es eine Zeit lang eine blinde Digitalisierungs-Euphorie. Das hat in diesem Bereich dazu geführt, dass die Politik zwar alle Kinder mit digitalen Endgeräten ausgestattet hat, aber damit ist tatsächliche Digitalisierung noch lange nicht getan. Ein Laptop oder iPad sind Grundbausteine – diese richtig einzusetzen, um Lernprozesse bei jungen Menschen zu unterstützen, ist eigentlich das Wichtige. Es geht also nicht um Print versus Digital, sondern darum, den richtigen Kanal in der richtigen Situation zu wählen. Zum Lesen, Schreiben oder Rechnen lernen in der Volksschulzeit machen analoge Lernmittel auf jeden Fall Sinn. Im fortgeschrittenen Alter liegt jedoch in der digitalen Bildung viel mehr Potential. Bildung kann individueller gestaltet werden und der Lernfortschritt kann wesentlich genauer beurteilt werden – Kinder können dadurch besser gefördert werden. Auch administrative Tätigkeiten der Lehrer:innen werden vereinfacht.

Bücher, eBooks, oder doch Hörbuch? Kannst du uns sagen, welches Format die Bildung von morgen bestimmen wird? Spielen Printmedien überhaupt noch eine Rolle?

Max

Es gibt viele unterschiedliche Lerntypen – manche verarbeiten Informationen besser, wenn sie etwas umkreisen und unterstreichen können, andere lernen besser über Gehörtes. Das klassische Buch wird in Zukunft sicherlich noch vorhanden sein, jedoch eine andere Bedeutung haben. Wir leben in einer hybriden Welt – zwischen digital und analog.

Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen haben das Potenzial, die Bildungslandschaft zu revolutionieren. Siehst du hier Chancen für den öbv und wenn ja, in welchen Bereichen?

Max

Künstliche Intelligenz kann auch im Bildungsbereich, sofern klug eingesetzt, riesige Chancen bergen. Für uns als Bildungsunternehmen, das als Hauptprodukt Content anbietet, birgt das durchaus großes Veränderungspotential. Ich bin definitiv der Meinung, dass es in naher Zukunft viel mehr Content geben wird, als es jetzt der Fall ist, da dieser automatisch generiert wird. Das kann durchaus den Effekt haben, dass die “Marke” oder der Absender viel wichtiger wird. Wenn es ein Überangebot an Inhalten gibt, kann das zu einer Vertrauenskrise führen und Menschen greifen dann auf starke Marken zurück, bei denen es eine klare Qualitätssicherung gibt. Ich denke, jedes Unternehmen wird sich früher oder später damit auseinandersetzen müssen – und vor allem lernen, die Erkenntnisse für sich zu nutzen. Auch, wenn Veränderung immer Unsicherheit mit sich bringt, bin ich grundsätzlich positiv eingestellt.

Stehen Lehrkräfte und Schulen der Digitalisierung offen gegenüber?

Max

Durch die Pandemie sind Lehrkräfte nicht umhingekommen, sich mit Digitalisierung auseinanderzusetzen. Dieses Zwangsexperiment hat dazu geführt, dass auch nicht so digital-affine Lehrer:innen sich mit dem Thema beschäftigen und vielleicht sogar Spaß daran finden. Während dieser Zeit wurden viele Vorraussetzungen erstmalig geschaffen – also digitale Endgeräte, Steckdosen, etc. Allerdings hat man Lehrkräfte vielfach damit allein gelassen. Die Gesellschaft hat gefordert, aber an Aus- und Fortbildungen hat es gefehlt. Man kann außerdem nicht von Lehrer:innen verlangen, nebenbei IT-Fachkraft zu sein und Bugs zu beheben.

Wie unterstützt der öbv Schulen und Lehrkräfte bei der Integration von digitalen Medien und Technologien im Unterricht?

Max

Als die Geräteinitiative startete, haben wir gemeinsam mit Magenta unentgeltlich drei Schulen bei der Umsetzung unterstützt. Magenta sorgte für die Connectivity und wir haben bei der Aufsetzung der Geräte geholfen. Vor allem haben wir aber den Lehrkräften digitale Materialien nähergebracht. Viele Lehrkräfte fühlten sich überfordert und das Weiterbildungsangebot war leider sehr mau. Es wurden Leistungen von Lehrkräften verlangt, ohne ihnen vorher die Möglichkeit zu geben, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Deshalb haben wir Learn.at gegründet, eine digitale Lernplattform für Lehrpersonen.

Interview OÌ BV Max 13

Wir hatten von Anfang an das Gefühl, dass wir menschlich gut zueinander passen und wir es mit Expert:innen zu tun haben. Wir fühlten uns verstanden.

Was war die Motivation für die Zusammenarbeit mit dotsandlines ab dem Jahr 2020?

Max

Wir wollten in erster Linie eine neue Website bauen – und wenn wir schon ein so großes Projekt angehen, dann wollten wir uns auch trauen, das Ganze neu zu denken. Intern bastelten wir an einem Konzept und versuchten, unsere Vision zu definieren. Anschließend führten wir Gespräche mit verschiedenen Dienstleistern. Ich erinnere mich an unseren gemeinsamen Workshop – damals noch an eurem alten Standort. Ihr habt sehr viele Fragen gestellt – und vor allem die Richtigen! Wir hatten von Anfang an das Gefühl, dass wir menschlich gut zueinander passen und wir es mit Expert:innen zu tun haben. Wir fühlten uns verstanden. Unser Konzept haben wir dann überworfen und sind alles gemeinsam neu angegangen – dotsandlines hat uns stetig gechallenged und hinterfragt, wodurch wir viele Dinge erst richtig weiterentwickeln konnten.

Inwiefern hat das Projekt eure firmeninterne Organisation und Prozesse beeinflusst?

Max

Das Projekt hat super viel verändert, was wenig mit der Website zu tun hat. Unsere Systemlandschaft war und ist extrem komplex und musste komplett überdacht werden. Viele Systeme sind aus dem analogen Geschäftsmodell entstanden und konnten digitale Produkte nicht hinreichend abbilden. Die Website ist das, was Kund:innen zu sehen bekommen, also neigt man dazu, einfach ein “schönes” Interface zu bauen. Interne Dinge blendet man schnell einmal aus, weil man davon ausgeht, dass Kund:innen diese nicht bemerken. Aber wenn man den Stall nicht sauber hält, dann bringt auch innovative Produktentwicklung nichts. Da also ein großes Dankeschön an dotsandlines, die uns durch einige Irrwege begleitet haben.

Alles hat zwei Seiten. Was waren die größten Herausforderungen und die schönsten Highlights bei dem Projekt?

Max

Schwierig waren die Monate vor dem Livegang. Man findet immer wieder Dinge, die noch nicht perfekt laufen. Wichtig ist ein gutes Erwartungsmanagement, dann kann man Enttäuschungen besser vorbeugen. Das größte Highlight ist es, die ersten fertigen Screens und Seiten zu sehen – nach Flipcharts, Post-Its und gezeichneten Mockups war das einfach unglaublich schön.

Wie sieht die aktuelle Arbeit mit eurem Produkt aus?

Max

Nach dem Launch gehen wir nun in eine Phase der Weiterentwicklung. Es ist wichtig, eine gute Balance zwischen Daily Buisness und Fortschritt zu finden. Was haben wir im Backlog? Was war hinsichtlich Budget und Zeit noch nicht möglich? Da wollen wir weiterarbeiten, vor allem im Bereich des Kundenservice. Eine Webseite ist eigentlich nie fertig.

Abschließend: Welche persönliche Botschaft möchtest du an Lehrkräfte und Schüler:innen sowie Bildungseinrichtungen übermitteln?

Max

Ich wünsche mir, dass wir die Neugierde der Kinder unterstützen und sie nicht direkt am ersten Schultag mit “Heute beginnt der Ernst des Lebens” unter Druck zu setzen. Lifelong learning wird immer wichtiger – und wenn wir es schaffen, die Lust am Lernen nicht zu verlieren, dann haben wir SO viel geschafft: Kinder nach Interessen lernen lassen, Schwere nehmen und Leichtigkeit beibehalten.

Mitwirkende

Alina Wagner

Charlotte Jani

Maximilian Schulyok